Eine Reise in die Welt der Ladedaten

In Rüsselsheim sind im Rahmen des Sofortprogramms „Saubere Luft“ mit Fördermitteln des Bundes der Ausbau der Ladeinfrastruktur sowie die Vorbereitung und Untersuchung der Stromnetze forciert worden. Insgesamt konnten 391 Ladepunkte für Mitarbeitende, 19 Ladepunkte für Mieter*innen, 792 öffentliche Ladepunkte und zwei Batteriespeicher zur Netzstabilisierung errichtet werden. Der geschaffene Mehrwert sind nicht nur die insgesamt 1.202 Ladepunkte, die stromhungrigen E-Autofahrer*innen nun zur Verfügung stehen, sondern auch der Netzausbau, der für das Anbinden sämtlicher Ladepunkte getätigt wurde.

Der Ladeinfrastrukturausbau wurde getätigt, um auch Menschen ohne eigenem Stellplatz den Wechsel auf ein batterieelektrisches Fahrzeug zu ermöglichen. Ziel der Projekte des Sofortprogramms “Saubere Luft“ ist es, die Luftqualität in den Städten zu verbessern. Gerade CO2– und Stickoxid-Emissionen, die durch den Verkehrssektor entstehen, verschmutzen die Luft in den Städten, wenngleich sehr viele Menschen dort leben und saubere Luft zum Atmen brauchen.


Nationaler Ladesäulenmeister?

Mit insgesamt 812 öffentlichen Ladepunkten liegt die Stadt Rüsselsheim am Main in Relation zu ihrer Größe, Einwohnerzahl und den damit verbundenen Fahrzeugen national auf dem ersten Platz beim Aufbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur. In absoluten Zahlen liegen natürlich Großstädte wie Hamburg, Berlin oder München vor Rüsselsheim. Dort müssen sich jedoch aufgrund der schieren Konzentration von Menschen und Fahrzeugen viel mehr Elektrofahrzeuge einen Ladepunkt teilen als dies in Rüsselsheim der Fall ist. In den genannten Großstädten teilen sich 18,2 (Hamburg), 19,5 (Berlin) und 24,9 (München) Elektrofahrzeuge einen Ladepunkt. In Rüsselsheim hingegen muss man sich bislang noch nicht um die öffentlichen Ladepunkte streiten:. Im gesamten Kreis Groß-Gerau teilen sich nur sechs Elektrofahrzeuge einen öffentlichen Ladepunkt. Wird nur das Stadtgebiet von Rüsselsheim betrachtet, steht aktuell fast ein öffentlicher Ladepunkt je im Stadtgebiet gemeldetem Elektrofahrzeug zur Verfügung.


1,5 Jahre Laden → 1,5 Jahre Daten

Im Rahmen des Förderprojekts wurden verschiedene Aspekte der Elektromobilität wissenschaftlich untersucht. Neben netztechnischen Untersuchungen, sozialwissenschaftlichen Analysen und Standort-Prüfungen kann nun der Markthochlauf der Elektromobilität anhand der anonymisierten Ladedaten des Projekts verfolgt werden.

Anders als das klassische Tanken ist das Laden eines Fahrzeugs an öffentlichen Ladestationen ein digitaler Vorgang. Jeder Ladevorgang generiert Daten, mit denen die Auslastung des Ladenetzes überwacht werden kann. Zudem werden diese Ladedaten genutzt, um das Weiterentwicklungspotential der Standorte zu überprüfen. Dies kann anhand unterschiedlicher Faktoren geschehen. Ist ein Standort beispielsweise übermäßig viel belegt, weist jedoch keine nennenswerten Energiemengen auf, so ist es ratsam, dort Standzeitbschränkungen zu beschildern, da die Ladeplätze anscheinend eher zum Parken zweckentfremdet werden.

Insgesamt wurden im öffentlichen Rüsselsheimer Electric-City-Ladenetz bereits über 36.300 Ladevorgänge getätigt. Es sind bereits über 500 Megawattstunden Energie in Fahrzeuge geladen worden. Das ist so viel Strom, wie ca. 143 Haushalte in einem Jahr verbrauchen würden. Mit dieser Energie konnten über 2,5 Millionen elektrisch gefahrene Kilometer ermöglicht werden. Eine enorme Laufleistung, für die kein fossiler Kraftstoff mehr verbrannt werden musste.

Wöchentlich sind 400 – 500 unterschiedliche aktive Nutzer*innen im Ladenetz erkennbar. Als aktiven Nutzer*in wird gewertet, wer einmal in einer Woche einen Ladevorgang im Netz gestartet hat.


Ladefakten

In einem durchschnittlichen AC-Ladevorgang werden in Rüsselsheim ca. 15 kWh in ein Fahrzeug geladen. Im Schnitt steht ein Fahrzeug für diese Lademenge 5 Stunden und 12 Minuten. Eine resultierende durchschnittliche Ladeleistung von 2,9 Kilowatt ist unrealistisch niedrig, da manche Fahrzeuge bei solch langsamem konstantem Laden den Ladevorgang abbrechen und “einschlafen” würden. Tatsächlich wird meist in den ersten oder den letzten Stunden des Ladevorgangs geladen, je nachdem, wie das Fahrzeug eingestellt ist. Derzeit wird eine Schnittstelle eingerichtet, um auch die Ladekurven der einzelnen Ladevorgänge beobachten und somit auch das Verhalten der Nutzer*innen auswerten zu können. Fakt ist, dass Ladevorgänge mit längeren Standzeiten als 5 Stunden selten eine höhere gesamt geladene Energiemenge zu verzeichnen haben. Bei Standorten mit reger Nachfrage erscheint daher eine Standzeitbeschränkung von maximal 4 – 5 Stunden als sinnvoll.

Alle Ladevorgänge mit 20 Kilowattstunden oder weniger gesamtgeladener Energiemenge aufaddiert, machen bereits 75 % der insgesamt geladenen Energie im CLEVER-Netz aus. Sehr lange Ladevorgänge, bei denen größere Energiemengen geladen werden, kommen seltener vor. Beim Betrachten des Ladeverhaltens nehmen diese Ladevorgänge eine eher untergeordnete Rolle ein.


Roaming: Jede*r bekommt Strom.

Sämtliche öffentliche Ladestationen des Projekts sind über einen gängigen Anbieter ins E-Mobility-Roaming integriert. Es ist auf diese Weise möglich, mit unterschiedlichsten Ladekarten oder Lade-Apps in Rüsselsheim den Ladevorgang freizuschalten.

Derweil ist erkennbar, dass Ladevorgänge mittels des Angebots von mehr als 50 unterschiedlichen Ladestromanbietern freigeschaltet werden.

Die beliebteste Variante zum Freischalten der Ladevorgänge ist die RFID-Karte, gefolgt von der Authentifizierung mittels Lade-App, welche beide Vor- und Nachteile aufweisen. Die RFID-Karte ist in der Regel die schnellste Variante, um an den CLEVER-Stationen den Ladevorgang freizuschalten. Die Lade-Apps hingegen zeigen zusätzliche Informationen, wie die aktuelle und prognostizierte Belegung, an.

Die Ad-Hoc-Freischaltung mittels QR-Code spielt eine untergeordnete Rolle und wird von den Nutzer*innen nur im Notfall verwendet. Es wird vermutet, dass das Laden via RDIF-Karte und via Lade-App schlichtweg einfach und zuverlässig funktioniert und daher nur recht selten die vertragslose Ad-Hoc-Freischaltung von den Nutzenden benötigt wird.


Zukunftspotenzial des Ladenetzes

Es kann zusammengefasst werden, dass das Rüsselsheimer CLEVER-Ladenetz derzeit weit über den aktuellen Bedarf an öffentlichen Ladepunkten hinaus aufgebaut wurde. Das Henne-Ei-Problem der öffentlichen Ladeinfrastruktur ist in Rüsselsheim vorerst gelöst. Jeder oder Jede, der/ die in Rüsselsheim ein Elektroauto fahren möchte, kann dies tun, auch ohne privaten Ladepunkt.

Insgesamt ist die Belegung derzeit noch recht gering. An den am meisten genutzten Ladestationen ist etwa eine Belegung von 30 % zu verzeichnen. Entsprechend gibt es noch ca. 70 % freie Kapazitäten.

Werden alle Stationen des Projekts betrachtet, sind noch freie Kapazitäten von über 90 % vorhanden.

Für die Stadt Rüsselsheim gilt es, das Ladeaufkommen exakt zu beobachten, um frühzeitig die Planung und Koordinierung für die Errichtung weiterer Ladestationen anzustoßen.

Rüsselsheim gibt mit dem Projekt den Startschuss für den Markthochlauf der Elektromobilität.

Die Auslastungsentwicklung kann auf der Internetseite https://electric-city-ruesselsheim.de/ladedatenanalysen/ anhand der Visualisierung der Ladedaten beobachtet werden.